Das Deutsche Weintor
Weinbau und Weinwirtschaft im Nationalsozialismus
In den Weinbaugebieten des heutigen Rheinland-Pfalz waren Winzer:innen von den ökonomischen Folgen des Ersten Weltkrieges, der Weltagrarkrise und der Weltwirtschaftskrise 1929 aufgrund eines starken Rückgangs des Weinabsatzes besonders stark betroffen. [Anm. 1] Darüber hinaus gab es mehrere schlechte Ernten, Streit um internationale Handelsabkommen und zusätzliche Sondersteuern auf Wein. Die daraus entstehende Missstimmung griff die NSDAP gezielt auf, sodass sich die Winzerschaft recht früh an das NS-Regime annäherte. [Anm. 2]
Die Weinkultur sollte im NS-Staat eine Brücke bilden zwischen Wirtschaft und Gesellschaft – mit dem Wein als „Blut der Volksgemeinschaft“ [Anm. 3] , wie es 1936 der pfälzische Gauleiter Josef Bürckel formulierte. [Anm. 4] Dafür wurde die Weinwirtschaft zunächst der NS-Lenkungswirtschaft unterworfen: Bereits 1933 wurden mit der Gründung des „Reichsnährstandes“ u. a. die deutschen Weinwirtschaftsverbände aufgelöst und diesem unterstellt. [Anm. 5] Teil dieser „Gleichschaltung“ sowie "Arisierung" war zudem die systematische Ausgrenzung jüdischer Weinhändler:innen, die man zu Unrecht des „Weinpanschens“ beschuldigte und zum Verkauf ihrer Betriebe zwang. [Anm. 6]
Gleichzeitig förderte die NSDAP-Führung die Weinwirtschaft gezielt symbolpolitisch, um den Weinabsatz zu steigern: Der Wein wurde propagandistisch als „Volksgetränk“ im Sinne der NS-„Volksgemeinschafts“-Ideologie vermarktet, u. a. im Zuge der reichsweiten Aktionen „Trinkt deutschen Wein!“ und „Fest der deutschen Traube“. [Anm. 7] So kam es zu einem regen Weintourismus im Rahmen von Reisefahrten der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF). [Anm. 8] Zentral waren auch die sogenannten „Patenwein“-Aktionen: Bei diesen verkauften Weinbaugemeinden etwa von der Ahr, der Mosel, der Pfalz oder Rheinhessen ihren Wein günstig an Partnergemeinden, in denen kein Weinbau betrieben wurde. [Anm. 9]
Ein steinernes Erbe der NS-Weinbaupolitik
In der Pfalz erlangte das „Pfälzische Weinfest“ während der NS-Zeit seine noch heute bestehende „traditionelle“ Form. [Anm. 10] 1934 wurde zudem die drei Jahre zuvor erfundene Wahl der Pfälzischen Weinkönigin wiederbelebt (ab 1935 „Deutsche Weinkönigin“). [Anm. 11] Am 20. Oktober 1935 eröffnete Josef Bürckel feierlich die von Schweigen-Rechtenbach bis nach Grünstadt bzw. Bockenheim reichende „Deutsche Weinstraße“ – sie sollte als zentrale Propaganda- und Vermarktungsplattform für die Pfalz und deren Wein dienen. [Anm. 12] In diesem Rahmen wurde 1936 auch das 20 Meter hohe „Deutsche Weintor“ am Beginn der Weinstraße im deutsch-französischen Grenzort Schweigen-Rechtenbach errichtet. Es ist bis heute ein steinerner, monumentaler Ausdruck der propagandistischen Vereinnahmung der Weinwirtschaft durch den Nationalsozialismus. Es bleibt sowohl Startpunkt einer modernen und einladenden Weinkulturlandschaft als auch ein unübersehbares Stück Erinnerungskultur. [Anm. 13]
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Urheberschaft
Autor: Felix Maskow
Redaktion: Simeon Guthier
Stand: 31.01.2023