Weinkultur in Mainz
Eine Genusstour durch die Hauptstadt des Weins
Mainz wird häufig als Weinhauptstadt Rheinhessens und sogar ganz Deutschlands gepriesen. Beim Spaziergang durch die Innenstadt stolpern selbst nüchterne Besucher:innen über etliche Berührungspunkte der Weinkultur. Auf Plätzen, in Fenstern, Nischen und in Kellern begegnen einem die Abbilder von Rebe, Wein und Traube. Um die aktive Teilnahme zu erleichtern und den Gaumen zu erfreuen, wurde die Weinkultur der Landeshauptstadt gezielt gefördert und touristisch erschlossen. Seit Juni 2008 ist die Region Rheinhessen gemeinsam mit der Stadt Mainz die exklusive deutsche Vertretung im Great Wine Capitals Global Network– und hat demnach als Region und Stadt eine bedeutende Stellung für den gesamten deutschen Weinbau inne. [Anm. 1]
Um die lokale Weintradition nachzuvollziehen, beginnt unsere Genusstour am Rheinufer und dem daran gelegenen Rathaus. Dieses Gebäude im Baustil der Moderne wurde in den 1970er Jahren errichtet. Was die wenigsten beim ersten Anblick erwarten würden, ist, dass sich unterhalb des Rathauses ein Weinprobierkeller befindet, in dem regelmäßige Veranstaltungen stattfinden. Das Rathaus ist nicht das einzige Gebäude der öffentlichen Hand in der Stadt, welches über einen solchen Keller verfügt. Auch die Staatskanzlei, die Regierungszentrale der Landesregierung, die sich 500 Meter rheinabwärts befindet, lädt zu besonderen Anlässen in den hauseigenen Weinkeller ein. Die Weine aus der heimischen Region Rheinhessen sind in besonderem Umfang vertreten. [Anm. 2]
Ein urtümlicheres Ambiente bieten die Weinstuben, für die Mainz bekannt ist. Über die Altstadt verstreut liegen Gasthäuser, die auf eine mehrere Jahrhunderte alte Tradition zurückblicken. Die „Altdeutsche Weinstube“ in der Liebfrauenstraße behauptet von sich, die älteste Weinstube Rheinhessens zu sein. Charakteristisch für diese wie für andere Weinstuben ist der Thekenraum mit dunkler Holzverkleidung und ebenso getönten Holztischen. [Anm. 3] Das Weinhaus „Zum Beichtstuhl“ in der Kapuzinerstraße, leitet sogar seinen Namen von dieser hölzernen Innenverkleidung ab.
Unweit davon entfernt, auf dem Erdwall zwischen dem Römischen Theater und der Zitadelle, befindet sich ein innerstädtischer Weinberg, der „Prominentenweinberg“. Dort setzen unter der Leitung des Mainzer Weinsenates seit dem Frühjahr 2007 prominente Gäste und Kirchenvertreter vor versammelter Presse immer wieder Reben in den Mainzer Boden. Da der Andrang seit der Gründung kontinuierlich wuchs, wurde 2020 im weiter südlich gelegenen Stadtteil Hechtsheim ein zusätzlicher Weinberg für Mainzer Gäste eingeweiht. Gezogen werden Riesling und Spätburgunderreben. Als Ausdruck der Verbundenheit und Erinnerung bekommen die Gäste jährlich eine Flasche ihres eigenen Weines per Post.Südöstlich der Zitadelle, im Stadtpark, präsentiert Rheinhessen Anfang September unter musikalischer Begleitung seine Erzeugnisse auf dem Mainzer Weinmarkt. [Anm. 4]
Zurück im Zentrum der Stadt, neben dem Schönborner Hof am äußeren Rand des Schillerplatzes, endet unser Rundgang. Hier prostet uns zum Abschied eine meterhohe Bronzefigur zu – der Schoppenstecher. Das Standbild wurde 1962 vom Mainzer Porzellanfabrikanten Heinz Schaubach geschaffen, welcher im Übrigen auch der erste Gestalter der Chronik der Mainzer Weinzunft war. [Anm. 5] Eingefleischte Mainzer sind mit Person und Namen vertraut, für alle anderen wird sich die folgende kurze Erklärung hoffentlich als hilfreich erweisen: Unter „Schoppen“ (vom mittelniederdeutschen „schope“ = Schöpfkelle) versteht man üblicherweise ein Flüssigkeitsmaß von einem halben Liter. Da sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hierzulande die Mainzer Stange mit einem Füllvolumen von 0,4 Litern durchgesetzt hat, hält der Schoppenstecher eine ebensolche in seiner Rechten. [Anm. 6] Die zweite Worthälfte, das „stechen“, bedeutet nichts anderes als „stecken“. Ein Schoppenstecher ist demnach jemand, der seine Nase zu tief in die Mainzer Stange hineingesteckt hat – oder der, wie es auf hochdeutsch heißt, „zu tief ins Glas geschaut hat“. [Anm. 7]
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Urheberschaft
Autor: Maximilian Bieler
Redaktion: Simeon Guthier
Stand: 22.12.2021