Das Neumagener Weinschiff
Wein für die Legionen
Unter der römischen Herrschaft setzte zum Ende des 3. Jahrhunderts die erste Blütezeit des Weinbaus an der Mosel ein. Einer der wichtigsten Faktoren für diese Entwicklung waren die in der Umgebung stationierten römischen Legionen. Diese waren im römischen Reich das zentrale Mittel, um sich gegenüber den benachbarten Völkern zu behaupten: Zehntausende Legionäre kämpften für Rom im parthischen Hochland, im wilden Britannien oder in den unwegsamen Gebieten der Region, die die Römer:innen Germania nannten. Mit roher Gewalt allein ließen sich militärische Siege jedoch kaum erringen, vielmehr war die Sicherstellung des Nachschubs entscheidend für langfristigen Erfolg: Neben Wasser und Getreide mussten auch große Mengen Wein transportiert werden, denn jedem Soldaten stand abhängig vom militärischen Rang bis zu ein sextarius (etwa ein halber Liter) pro Tag zu. [Anm. 1] Dabei stand möglicherweise weniger der Genuss im Vordergrund als vielmehr der Nährstoffreichtum des Weins, seine Haltbarkeit und seine vorbeugende Wirkung gegenüber Krankheiten wie der Skorbut. [Anm. 2]
Der Legionstross aus tausenden Lasttieren und jeder Legionär für sich konnten nur Rationen für wenige Wochen mit sich führen. [Anm. 3] Deshalb mussten für längere Unternehmungen auch in die entlegensten Gebiete funktionierende Nachschubwege angelegt werden. Zentral war dafür die Flotte, denn immer wenn möglich wählten die Römer:innen den Transport zu Wasser. [Anm. 4] Ein einziges Schiff konnte mehrere Tonnen Fracht befördern und dutzende Kilometer am Tag zurücklegen. [Anm. 5]
Gerade im militärischen Kontext zeigten sich jedoch die Grenzen des Wassertransports: Man war auf schiffbare Gewässer angewiesen und konnte deshalb den Truppen nicht immer folgen. [Anm. 6] Deshalb musste der letzte Teil des Versorgungswegs per Land erfolgen. Dafür richteten die Römer:innen ein komplexes System aus Großlagern (horreum) und kleineren Depots ein, zwischen denen Konvois aus Maultieren und Ochsenkarren pendelten und so feste Nachschubrouten etablierten. Diese blieben jedoch eng an die Wasserstraßen als Lebensadern gebunden. [Anm. 7]
Dass die Mosel eine solche Lebensader für den Weintransport war, bezeugen die 4 Figuren von Weinschiffen, die in der Festung der römischen Handelsstadt Noviomagus Treverorum (heute: Neumagen-Dhron) gefunden wurden. Diese Monumente, die wohl zum Grabmal eines Trierer Weinhändlers gehörten, [Anm. 8] zeigen außerdem eine Besonderheit des Weintransports auf der Mosel: Statt der im Mittelmeerraum üblichen Amphoren übernahmen die Römer:innen hier die keltischen Holzfässer, die bei guter Transportfähigkeit wesentlich mehr Wein fassen und den Weinbedarf der Armee so leichter decken konnten. [Anm. 9]
Versorgung der römischen Truppen
Zunächst aber stammte der Wein, mit dem die Garnisonen am Rhein in der Frühzeit der römischen Besatzung versorgt wurden, nicht von der Mosel, sondern aus dem Mittelmeerraum. Mangels direkter Verbindung musste er also umständlich per Rhône und Saône durch Gallien bis zur Mosel verschifft werden. Ob ein zum Ende des 3. Jahrhunderts durch Kaiser Probus aufgehobenes Weinbauverbot in den Provinzen sich auf den nordalpinen Raum bezog und damit den Ausschlag für den Beginn des lokalen Weinbaus gab, ist in der Forschung umstritten. [Anm. 10] In jedem Fall entstanden zu dieser Zeit große Rebflächen an den Hängen der Mosel, die eine stärkere Selbstversorgung des lokalen Militärs und der Residenzstadt Trier ermöglichten. [Anm. 11] Das wird auch an den Neumagener Weinschiffen sichtbar: Sie bilden jeweils ein zum Warentransport umgerüstetes Kriegsschiff ab. [Anm. 12]
Insgesamt also ist es unter anderem auch der römischen Armee und ihrem enormen Weinbedarf zu verdanken, dass die Römer:innen den Grundstein für einen umfangreichen Moselweinbau legten und heute, mehr als 2000 Jahre nach Beginn der römischen Herrschaft, immer noch die Rebstöcke das Landschaftsbild des Moseltals maßgeblich prägen.
Urheberschaft
Autor: Christian Belzer
Redaktion: Simeon Guthier
Stand: 22.12.2021