Schloss Saarfels
Die Zeit der Weinschlösser
Zur Krönung eines Weingutes gehört ein Anwesen, das dem Winzer oder der Winzerin Überblick verschafft. Die Architektur muss wirtschaftlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden. In den letzten Jahrzehnten präsentierte sich die Weinbauarchitektur oft bemerkenswert unspektakulär. In der Vergangenheit hingegen erhoben sich auf Wunsch selbstbewusster Winzer an Flüssen wie Saar, Mosel und Ruwer kleine Schlösser. Sie übernahmen den Stil mittelalterlicher Burgen, imitierten die Gestalt des französischen Châteaus oder bedienten sich der Formensprache italienischer Renaissanceschlösser.
Nachdem Napoleon Bonaparte 1815 besiegt war, wurde der zuvor säkularisierte Besitz, das heißt die der Kirche enteigneten Güter, meist an Privatpersonen veräußert, darunter auch die Weinberge. Die Käufer ließen die vorgefundenen Wohn- und Wirtschaftsgebäude nach adeliger Stilvorlage ergänzen. Auf zusammengelegten Anbaugebieten wurde neue Architektur errichtet. Für den Historiker sind diese Anwesen eine wahre Fundgrube: An ihnen lassen sich Architekturgeschichte, technischer Stand der Weinproduktion und die Ansprüche des Eigentümers an Wohnkomfort und Repräsentation ablesen. [Anm. 1]
Schloss Saarfels, unweit der luxemburgischen Grenze gelegen, soll als illustratives Beispiel dienen. Auf dem „Kelterfels“, über der Saar und der Gemeinde Serrig thronend, gewährt der fünfgeschossige burgenartige Bau einen Eindruck des bürgerlichen Selbstbewusstseins im Kaiserreich. Dennoch ist die Bezeichnung „Schloss“ sicherlich auch werbewirksam zu verstehen. Auftraggeber war der anfangs sehr erfolgreiche Sektproduzent Adolf Wagner, der in dem neogotischen Anwesen wirtschaftliche und private Bedürfnisse kombinieren ließ. Schloss Saarfels besteht aus einem zweigeschossigen Familienhaus, das sich auf eine dreigeschossige Kelleranlage stützt. In dieser waren Kelter und Lagerung des Hausmarkensektes „Schloss Saarfels“ untergebracht.
Verbunden mit dem Garten erschuf Architekt Christoph Ewen ein historisierendes Ensemble, dem englischen Landhaus und Castle-Style nachempfunden. [Anm. 2]
Blickbestimmend sind der 23 Meter hohe Turm im Südosten sowie der zum Fluss ausgerichtete Mittelrisalit. Ecktürmchen und Zinnenkränze legen Zitate der Burgen am Rhein nahe. Auf Saarfels wurde der Stil mittelalterlicher Wehrarchitektur zum bürgerlichen Imitat adeliger Lebensart. In der Raumaufteilung orientiert sich Schloss Saarfels ebenfalls an adeligen Lebensformen. Die Wirtschafts- und Personalräume wurden in separaten Flügeln untergebracht. Familie und Personal wurden bewusst getrennt, auch Besucher:innen sollten den Bediensteten nicht begegnen. Die zweigeschossige Halle nach Vorbild des englischen Landhauses beeindruckt vor allem durch ihre farbige Bleiverglasung der Fenster.
Im unterliegenden Schlosskeller erfolgte die Sektproduktion nach der Méthode Champenoise Die um die Jahrhundertwende angelegten Kelleranlagen richteten sich nach einem durch die Weinlagerung vorgegebenen Schema. Üblich waren ein- bis zweigeschossige und in 6 Meter breite Achsen unterteilte Keller mit Betondecken.
Auf Saarfels diente das unterste Geschoss zur Stillweinlagerung, im zweiten Geschoss fand die eigentliche Produktion, sprich die zweite Gärung statt. Die Regale fassten etwa 80.000 Flaschen, die Rüttelpulte weitere 20.000 Flaschen. Im dritten Geschoss wurden die Flaschen gekeltert, gelagert und verpackt. Die zwischen 1912 und 1914 errichtete Winzervilla brachte sämtliche Anforderungen von Funktionalität und Repräsentation in Einklang, wobei die Fassade die Vorlieben des Bauherren widerspiegelt. Reisende können einen Eindruck vom Privatleben des bürgerlichen Burgherren gewinnen; das Schloss wurde zum Gästehaus umfunktioniert.
Urheberschaft
Autor: Maximilian Bieler
Redaktion: Simeon Guthier
Stand: 22.12.2021