Oberes Mittelrheintal
Die Bedeutung des Rheins für den Weinhandel
Die Kulturlandschaft des Oberen Mittelrheintals erstreckt sich auf etwa 65 Kilometern entlang des Mittelrheins, der sich zwischen Bingen und Koblenz durch das Rheinische Schiefergebirge schlängelt. Seit 2002 ist dieses Engtal, das seit dem 19. Jahrhundert Inbegriff der romantischen Rheinlandschaft ist, UNESCO-Weltkulturerbe – nicht zuletzt aufgrund seiner Weine. [Anm. 1] Das größte zusammenhängende Weinbaugebiet des Mittelrheins liegt am Bopparder Hamm, der größten Rheinschleife, nahe der Stadt Boppard. Es umfasst rund 75 Hektar Rebfläche, auf der vor allem Riesling angebaut wird. Wein wurde dort wohl schon zur Römerzeit kultiviert – belegbar ist der Weinbau am Mittelrhein aber erst ab dem Frühmittelalter. [Anm. 2] Bis ins 13. Jahrhundert breitete sich der Weinbau immer weiter aus, insbesondere auf den seitdem terrassierten Steilhängen des Engtals. [Anm. 3]
Das Obere Mittelrheintal war bis in die Neuzeit auch für den europäischen Weinhandel die zentrale Transport- und Handelsroute. Bereits in römischer Zeit wurde Wein über den Rhein aus dem Mittelmeerraum in die römischen Siedlungen und Lager an den Mittelrhein transportiert. Durch die zunehmende Entstehung von Städten am Rhein ab dem 12. Jahrhundert, die zu dominanten Akteuren des Rhein- und Weinhandels avancierten, entwickelte sich der Rhein zur zentralen Transportlinie zwischen Nordeuropa (d. h. Flandern, England, Nord- und Ostsee) sowie Oberitalien und dem Mittelmeerraum. [Anm. 4] Im Mittelrheintal, als Nadelöhr zwischen Mainz und Köln, waren Weinbau und -handel bis ins 18. Jahrhundert der wichtigste Wirtschaftszweig. [Anm. 5] Der Wein war auf dieser bedeutenden Handelsachse die „Königsware“ des Rheinhandels. [Anm. 6]
Ab dem 13. Jahrhundert war die Reichs- und Hansestadt Köln – vielfach auch das „Weinhaus der Hanse“ genannt – das Zentrum des Weinfernhandels und der bedeutendste Weinstapelplatz im Reich. Die Stadt Köln bezog ihren Wein vorwiegend aus dem Oberen Mittelrheintal. Von dort aus wurde der Wein von den schmaleren „Oberländer“- auf die größeren „Niederländer“-Schiffe verladen und in den Nord- und Ostseeraum verschifft. [Anm. 7] Neben Köln war Frankfurt am Main mit seiner Herbstmesse eine weitere zentrale Zwischenhandelsstation gen Norden und Osten, vor allem nach dem Niedergang der Champagnemessen Mitte des 14. Jahrhunderts. Gehandelt wurden insbesondere Weine aus dem Elsass, die zu den begehrtesten Exportweinen des Spätmittelalters zählten. [Anm. 8]
Stapelrecht
Recht einer Stadt, auswärtige Kaufleute zu verpflichten, dass diese ihre Handelsgüter in der Stadt „stapeln“, d. h. zum Verkauf anbieten. Diese Handelseinschränkung für den Fremdhandel sollte die heimische Wirtschaft in protektionistischer Hinsicht schützen, die Stadt umgehende Handelsströme verhindern und den Stadtbürgern ein breiteres Warenangebot erschließen.
Durch die aufkommende Konkurrenz des Bieres sowie die vorausgehende Weinüberproduktion verschlechterte sich ab Mitte des 15. Jahrhunderts zunehmend die Qualität des Weines – Weinproduktion und -handel gingen in der Folgezeit allmählich zurück. [Anm. 9] Die Klimaverschlechterung, die hohen Rheinzölle ebenso wie die kriegerischen Auseinandersetzungen des 16. und 17. Jahrhunderts, so u. a. der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648, beschleunigten diesen Rückgang. [Anm. 10] Erst ab dem späten 18. bzw. dem 19. Jahrhundert wurde der Wein als Konsum- und Handelsware wieder begehrter – nun allerdings immer stärker als gezielt vermarktetes Qualitätsprodukt. [Anm. 11]
Weitere Informationen
Urheberschaft
Autor: Felix Maskow
Redaktion: Simeon Guthier
Stand: 22.12.2021