Römische Kelteranlage in Piesport
Römerwein im Moseltal
Als man ab den 1970er Jahren im Kreis Bernkastel-Wittlich die ersten römischen Kelteranlagen entdeckte, war die Sensation groß: Erstmals hatte man echte Beweise für den lange vermuteten römischen Weinbau an der Mosel [Anm. 1] . Von den insgesamt bisher 12 entdeckten Kelteranlagen [Anm. 2] wurde die größte und älteste [Anm. 3] in den Jahren 1985/86 in Piesport-Müstert archäologisch erschlossen. [Anm. 4] Dabei konnte man feststellen, dass die Anlage bereits im frühen 3. Jahrhundert nach Christus in Betrieb genommen und bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts genutzt wurde. [Anm. 5]
Zusammen mit weiteren Keltern an der Mosel diente sie wohl vor allem der Versorgung der Residenzstadt Trier, weshalb wahrscheinlich das Militär die Anlage betrieb. Dafür spricht zunächst ihre rein funktionale Ausstattung ohne Wohnräume. Statt in einer Siedlung befand sie sich zudem mitten im Weinberg direkt an der Mosel, was für den Schiffstransport nach Trier besonders günstig war. Einen weiteren Hinweis liefert die Größe der Anlage: Private Besitzer:innen hätten kaum genug Arbeiter aufbringen können, um die wahrscheinlich etwa 60 Hektar zu bewirtschaften. [Anm. 6] Dies war wohl die größte zusammenhängende Rebfläche nördlich der Alpen. [Anm. 7] Nachdem die Nutzung der Kelterruinen spätestens im Hochmittelalter vollständig aufgegeben wurde, blieben ihre Reste in Piesport-Müstert bis ins 19. Jahrhundert sichtbar. [Anm. 8] Neben den 12 bekannten Anlagen werden viele weitere im Gebiet vermutet, sodass auch in Zukunft neue Entdeckungen möglich sind. [Anm. 9]
Ein derart umfangreicher Weinbau war wegen der Bedeutung des Weins in allen Teilen der römischen Gesellschaft nötig: Als Grundnahrungsmittel gehörten günstige Weine zum Alltag der Römer:innen, allerdings wurde auch Spitzenwein wie der berühmte Falerner hergestellt. [Anm. 10] Solche Weine trank die Oberschicht aus Prunkbechern, die – besetzt mit Edelsteinen oder aus edlem Glas geschliffen – schnell ein Vermögen kosten konnten. [Anm. 11] Nur beim kultischen Trankopfer („libation“) nutzte man unvermischten Wein („merum“). Im Alltag wurde er üblicherweise mit Wasser verdünnt und oft mit Kräutern oder Gewürzen angereichert. [Anm. 12] Egal ob zum Frühstück, zu festlichen Banketten oder zu kultischen Ritualen – Wein gehörte in der römischen Gesellschaft in vielen Bereichen dazu. [Anm. 13]
Spuren des römischen Weinbaus
Von dieser immensen Bedeutung des Weins in der römischen Kultur zeugen an der Mosel heute noch zahlreiche Darstellungen des Weins und seiner Nutzung, wie etwa in Form der Sucellus-Statue aus Kinheim, die den Gott der Weinerzeuger:innen abbildet. [Anm. 14] Aber auch sprachlich hat die römische Herrschaft Spuren hinterlassen: So entwickelte sich aus der lateinischen Bezeichnung „calcatorium“ für die Traubenpresse der heutige Begriff Kelter. [Anm. 15] Aber auch der Name des alten Volumenmaßes Ohm ist lateinischen Ursprungs. [Anm. 16] Der Begriff Most lässt sich auf das lateinische „mustum“ zurückführen. [Anm. 17] Diese Dichte lateinischer Lehn- und Reliktwörter an der Mosel ist gegenüber anderen Weinbaugebieten in Deutschland einzigartig. [Anm. 18]
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Urheberschaft
Autor: Christian Belzer
Redaktion: Simeon Guthier
Stand: 24.01.2023