Wein in Musik und Poesie
Die künstlerische Auseinandersetzung mit Wein hat eine lange Tradition
„Hügel, mit grünenden Reben bekränzt, und die lieblichen Fluten, wie die Mosella sie drunten in leisem Gemurmel dahinführt“ [Anm. 1] – so beschrieb der römische Dichter Ausonius in seinem Loblied „Mosella“ um 370 nach Christus den Anblick von Weinreben im Moseltal. Inwieweit es sich dabei um eine ernstzunehmende Beschreibung oder eher um literarische Fantasie handelt, lässt sich nicht sicher beantworten. [Anm. 2] In jedem Fall zeugt es von einer frühen poetischen Beschäftigung mit dem Moselwein in der römischen Antike und galt bis zur Entdeckung antiker Weinkeltern als einer der frühesten Hinweise auf Moselweinbau. [Anm. 3]
Im Mittelalter entstanden vor allem im sephardischen, im kleineren Rahmen aber auch im askenasischen Judentum zahlreiche Weinlieder, die sich über den religiösen Rahmen hinaus mit dem Wein und seiner Wirkung beschäftigen. [Anm. 4] Sie liefern einen Einblick zum alltäglichen Umgang der mittelalterlichen Jüd:innen mit Wein, den sie nicht idealisieren, aber dennoch schätzen. [Anm. 5] Ganz ähnlich verhält es sich mit den deutschsprachigen Weinliedern des Spätmittelalters. Das Lied „Wein, wein von dem Rein“ aus dem 15. Jahrhundert schreibt dem Rheinwein aus Bacharach eine kräftigende, tröstende und begeisternde Wirkung zu; [Anm. 6] in anderen Liedern werden aber auch Trübsinn oder Aggressivität als Folgen des Konsums beschrieben. [Anm. 7] Lieder dieser Art blieben bis weit in die Frühe Neuzeit hinein beliebt. [Anm. 8]
Lessing, Schiller und Goethe
Im 18. Jahrhundert gewann die Weinthematik in Dichtungen von Größen wie Lessing und Schiller an Bedeutung. [Anm. 9] Besonders Johann Wolfgang von Goethe schätzte den Wein sehr: Er bezog monatlich etwa 60 Liter von seinem Hauptlieferanten und trank Weine aus aller Welt. [Anm. 10] Aber auch in seinen Werken verarbeitete er immer wieder Weinmotive, so etwa in Faust [Anm. 11] und Götz von Berlichingen. [Anm. 12]
Einer Legende zufolge habe der Dichterfürst im „Wirtshaus an der Lahn“ in Dausenau eine Weinschorle getrunken, worüber sich die Herrenrunde am Nachbartisch lustig machte. Verärgert soll er in den Tisch geritzt haben:
„Wasser allein macht stumm,
das zeigen im Bach die Fische.
Wein allein macht dumm,
siehe die Herrn am Tische.
Da ich keins von beiden will sein,
trink ich Wasser mit Wein.“
Angeblich waren seine Verse noch bis 1935 sichtbar, verschwanden danach jedoch aus ungeklärten Gründen. [Anm. 13] Der Wahrheitsgehalt dieser Legende ist allerdings zweifelhaft, äußerte Goethe sich doch häufig abfällig über Weinschorlen. [Anm. 14]
Das Aufblühen des Vereinswesens
Um die Wende vom 18. ins 19. Jahrhundert änderte sich der musikalisch-poetische Umgang mit dem Weinmotiv. Den Kirchen, zuvor wichtige Auftraggeber für Musik, fehlte infolge der Säkularisation das Geld für Musikaufträge. Außerdem verschwanden viele der kleineren Landesherrschaften, deren Höfe den Rahmen für feudale Musik gebildet hatten. Diese Lücke füllten nun zahllose neu entstehende Gesangsvereine und Konzertgesellschaften, [Anm. 15] die sich anschließend des Erbes der Weindichtung annahmen. Dadurch sank allerdings spürbar deren Niveau. [Anm. 16] Die entstehenden Weinlieder wurden zudem politisiert und der Wein als nationalistisches Symbol genutzt. [Anm. 17]
In der jüngeren Vergangenheit dominierte wieder die unpolitische Weindichtung, jedoch ohne besonders hervorzuhebende lyrische Ambitionen. In der Nachkriegszeit waren es vor allem Schlager wie „Wenn das Wasser im Rhein goldner Wein wär“ von Willy Schneider aus dem Jahr 1950, mit dem er in der typischen Heiterkeit der zeitgenössischen Musik ohne größere Tiefgründigkeit den Wein besang und internationalen Ruhm erlangte. [Anm. 18]
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Urheberschaft
Autor: Christian Belzer
Redaktion: Felix Maskow, Simeon Guthier
Stand: 26.04.2022