Die Kaiserpfalz in Ingelheim
Ein Weingesetz für das Mittelalter
Zitat aus dem Capitulare de villis (790er Jahre), XXII. Kapitel
„Coronas de racimis, qui vineas habuerint, non minus tres aut quattuor habeant.“
Die (königlichen Beamteten), die Weinberge bewirtschaften, sollen mindestens drei bis vier Traubenkränze bereithalten. [Anm. 1]
Die Anfänge der Straußwirtschaften wurden häufig aus den „coronas de racimis“ abgeleitet. Einem Zitat der Capitulare de villis, der vielleicht bedeutendsten Gesetzessammlung Karls des Großen. Der Frankenkönig und spätere Kaiser (748–814) organisierte anhand dieser Gesetze die Verwaltung seines Römischen Reiches.
Die Übersetzung aus dem Lateinischen ist nicht immer eindeutig. Eine neuere Untersuchung unseres Zitates beurteilt frühere Interpretationen als Missverständnis: Karl habe nicht beabsichtigt, Straußwirtschaften zu etablieren. Diese gab es bereits vor seiner Regentschaft. Das Gesetz war keine Aufforderung, Weinkränze zum Hinweis auf Ausschank auszuhängen. Den privaten Verkauf der Weine habe der König seinen Winzern:innen nicht genehmigen wollen.
Vielmehr handelte es sich um die Anordnung, seine Pfalzen, wie diejenige in Ingelheim, ausreichend mit „Rosinenkränzen“ (coronas de racimis) zu versorgen. Karl der Große verbrachte einen Großteil seiner Regierung auf dem Rücken seines Pferdes. In Ingelheim und an den anderen Pfalzen fanden er und sein Gefolge Unterkunft und Verpflegung. Rosinen waren eine beliebte Süßigkeit, Süßes war im Mittelalter selten. Rohrzucker war in Nordeuropa noch nicht verbreitet. [Anm. 2]
Die 70 Kapitel der Capitulare de villis geben Dienstanweisungen an die Verwalter:innen der königlichen Domänen. Allein 10 der Kapitel befassen sich mit dem Weinbau. Damit gelten die Capitulare de villis als das erste europaweit gültige Weingesetz. Nicht unberechtigt wird Karl der Große darum als „Vater des deutschen Weinbaus“ bezeichnet. Sämtliche Schritte, von der Neuanlage eines Weinbergs, den Arbeiten im Weinberg, der Traubenlese, den Aufgaben der Kelter- und Kellerarbeiten, oder der Beschaffenheit der Fässer für die Weinlagerung und den Transport, wurden reguliert. [Anm. 3]
Während der Zeit Karls des Großen und dessen Nachfolger, wurde in Ingelheim Rotwein angebaut. Im Spätmittelalter (1250–1500) soll sich eine allmähliche Umstellung zum Weißwein vollzogen haben. Er brachte auf den Böden am Rhein wohl bessere Erträge. [Anm. 4]
Über die Rebsorten vor dem 19. Jahrhundert lassen sich kaum verlässliche Angaben machen. Heutzutage rühmt sich Ingelheim für seinen Rotweinanbau, wobei der Weißweinanbau dennoch dominiert. [Anm. 5]
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Urheberschaft
Autor: Maximilian Bieler
Redaktion: Simeon Guthier
Stand: 22.12.2021